Die lösungsorientierte Kurzzeittherapie, oder auch lösungsfokussierte Kurzzeittherapie, bezeichnet einen ressourcen- und zielorientierten Ansatz der grundsätzlich darauf angelegt ist den Klienten in seinen Stärken und positiven Eigenschaften zu fördern und den Blick auf positive Geschehnisse und positive Veränderungen zu richten. Die Therapie ist auf maximal 10 Sitzungen beschränkt. Oft werden nur 4-7 Sitzungen durchgeführt.
Steve de Shazer und seine Frau Insoo Kim Berg haben diese Therapieform in den 60er/ 70er Jahren gemeinsam konzipiert und umgesetzt. Das Konzept basiert auf Arbeiten von Milton Erickson, Ludwig Wittgenstein, Jacques Derrida, dem Erkenntnissen des Konstruktivismus und der Palo-Alto-Gruppe und der allgemeinen Feststellung, dass zu wenig Fokus und Aufmerksamkeit auf positive Dinge und Situationen gelegt wird, gerade in schwierigen Phasen des Lebens. Wenn dieser Blick verändert wird und den positiven Dingen und dem gewünschten Zukunftsgeschehen Raum gegeben wird, soll der Umgang mit Problemen sich positiver gestalten.
Weiterhin ist es in diesem Ansatz nicht notwendig, etwas über das Problem zu wissen oder zu verstehen. Der positive Veränderungsprozess kann allein durch das Erkennen eigener Wünsche, Ziele, Bedürfnisse und der Arbeit mit den eigenen Ressourcen geschehen.
Der Klient wird als Experte seiner Selbst angesehen. Er wird in den Therapieprozess integriert, dass heißt der Therapeut erkundet gemeinsam mit dem Klienten Ausnahmezustände im Problemerleben, Ressourcen, positive Veränderungen und Wünsche für die Zukunft. Methodisch gestützt wird dies durch bestimmte Fragetechniken, wie die Wunderfrage, Skalenfragen, Beziehungs- und Bewältigungsfragen und stets eine wertschätzende Beobachtung des Klienten.
Der Unterschied zwischen der Lösungsorientierung und der Lösungsfokussierung besteht darin, dass sich die „Orientierung“ sanfter gestaltet und auch den Blick in die Vergangenheit zulässt. Dass heißt, dass die Therapie auch psychotherapeutische Methodiken nutzt, wenn dies im Sinne des Klienten ist. Generell ist das Vorgehen in der Therapie jedoch ein zukunfts- und lösungsgewandtes. Die „Fokussierung“ ist klar auf die Zukunft und die gewollten positiven Veränderungen gerichtet. Der Blick zurück und das Problemverständnis sind keine Ziele der Therapie.
Grundsätzlich existieren in der Kurzzeittherapie gewisse Leitsätze. Diese sind u.a.
das Wissen, das positive Veränderungen in kleinen Schritten geschehen
wenig Information genügt, der Therapeut benötigt keine vertieftes Verständnis des Problems, um dem Klienten zu helfen
die Frage nach den Unterschieden zwischen besser/ schlechter wiegt mehr, als die Frage nach der Vergangenheit
die Unterstellung, das jeder Beteiligte an positiven Veränderungen interessiert ist
Aus diesen Leitsätzen ergeben sich drei Grundprinzipien:
- „Repariere nicht, was nicht kaputt ist.“
- „Finde heraus, was gut funktioniert und passt – und tu mehr davon.“
- „Wenn etwas trotz vieler Anstrengungen nicht gut genug funktioniert und passt – dann höre damit auf und versuche etwas anderes!“
Ein wichtiger Stellenwert wird außerdem dem Grundsatz der Einfachheit („Simplicity“) zugemessen. Umzusetzen ist die Einfachheit indem eine einfache Sprache genutzt wird, Lösungen anstatt Probleme bearbeitet werden, die Interaktion mit anderen Menschen beachtet und jede Situation als speziell und einzigartig gesehen wird.
Die lösungsorientierte/ -fokussierte Kurzzeittherapie wird in therapeutischen Settings, dem Coaching, der Pädagogik, Beratungen und in Unternehmen eingesetzt.
Informationen zur Begründerin/zum Begründer:
Das Ehepaar Steve de Shazer und Insoo Kim Berg entwickelte gemeinsam die lösungsorientierte Kurzzeittherapie.
Steve de Shazer, geboren 1940 in Milwaukee war ein US- amerikanischer Psychotherapeut und Autor. Er war ein professioneller Jazz- Saxophonist mit einer Ausbildung in Klassischer Musik. Ebenfalls erwarb er einen Bachelor-Abschluss in Bildender Kunst und einen Master in Sozialarbeit. Er studierte u.a. am Mental Research Institut in Palo Alto, Kalifornien. Dort lernte er seinen Mentor John Weakland kennen. Beide verband eine lebenslange Freundschaft.
Er veröffentlichte mehrere Bücher. Sein letztes Werk kurz vor seinem Tod war „More than Miracles“, das den Ansatz der lösungsorientieren Therapie auf den aktuellsten Stand brachte. Seine Bücher wurden in 14 Sprachen übersetzt. De Shazer starb 2005 in Wien.
Seine Frau Insoo Kim Berg, geboren 1934 in Korea war ebenfalls eine US-amerikanische Psychotherapeutin. Sie erlebte als Jugendliche den Korea-Krieg und dessen Folgen mit. 1957 kam sie dann in die USA, studierte Sozialarbeit und absolvierte eine familientherapeutische Ausbildung.
1958 kam ihre Tochter Sarah auf die Welt. Sie und Steve De Shazer lernten sich am Mental Research Institut in Palo Alto kennen.
Sie hatte großen Einfluss im Bereich der Therapie, Beratung, Supervision und Coaching und gab in verschiedensten Ländern der Welt Workshops, Vorträge, Fortbildungen und Supervisionen. Auch sie veröffentlichte mehrere Bücher. Sie starb 2007 in Milwaukee.
Gemeinsam gründeten sie 1978 das Brief Family Therapy Center „BFTC“ und gelten als Pioniere der lösungsorientierten Kurzzeittherapie.
Das Institut wurde Ende 2007 ca. ein Jahr nach dem Tod von Insoo Kim Berg geschlossen.
Ablauf einer Sitzung
Der Ablauf einer Sitzung richtet sich nach dem Wünschen und Zielen des Klienten. Es ist ein klein- und feinschrittiges Vorgehen, das sehr detailliert von statten geht.
Zuerst findet von daher die Analyse der Ziele in der als problematisch beschriebenen Situation statt.
Darauf hin wird mit bestimmten Frage- und Orientierungstechniken eine Einschätzung des IST- und des SOLL-Zustandes geschaffen.
Anhand dieses bewussten Vorgehens werden die Unterschiede in den problembehafteten und den problemfreien Situationen erarbeitet. Es wird sich dann in der Regel auf die positiven Situationen fokussiert und das positive/ verändernde Verhalten und Erleben klar herausgearbeitet.
Nach der Sitzung soll dies dann im Alltag angewandt und intensiviert werden.
In der darauffolgenden Sitzung findet wiederum ein Abgleich des IST- / SOLL- Vergleiches statt. Falls die neue Intervention, bzw. die Intensivierung des Verhaltens keine positiven Ergebnisse erreicht hat, beginnt der Prozess erneut.
Wenn die Intervention gut umgesetzt werden konnte, kann der nächste Schritt gegangen werden.
Kosten einer Sitzung
Wenn die Behandlung von Therapeuten mit einer psychotherapeutischen Grundausbildung durchgeführt wird, werden die Behandlungseinheiten von der Krankenkasse übernommen.
Wenn dies nicht der Fall ist, kosten die Sitzungen á 60 Min. ca. 60 Euro.
Verbreitung der Methode
Der Ansatz ist im Coaching, der Pädagogik, Therapie, Seelsorge und auch dem Management stark verbreitet. Auch in der Sozialen Arbeit/ Sozialpädagogik und der Psychiatrie werden mit dem Therapieansatz laut Fachkreisen gute Erfolge erzielt.
Auf YouTube haben die Videos zum Lösungsorientierten Kurzzeittherapie bis zu 26.500 Klicks.
Ausbildungsweg für Coaches / Therapeuten
Die Ausbildung zum lösungsorientierten Kurzzeittherapeuten dauert ca. 3 Jahre.
Sie beinhaltet einen Grund-, Aufbau- und Fortgeschrittenenkurs und umfasst 950 Unterrichtseinheiten.
Die einzelnen Module werden meist in 2-3 tägigen Seminaren abgehalten.
Die Kosten der Ausbildung liegen bei ca. 8000 Euro.
Voraussetzung für die Teilnahme ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Bereich der Psychologie, Sozialpädagogik, Pädagogik, Medizin, o.ä. und eine aktuelle Tätigkeit im psychosozialen Bereich.
(Berufs-)Verband, Verein
Der Verband Systemische Gesellschaft (SG) vertritt die Interessen der lösungsorientierten Kurzzeittherapie.
Die Aufgaben des Verbandes sind die Förderung des systemischen Denken und Handeln in Beratung, Coaching, Therapie, Politik, Pädagogik, Seelsorge, Pflege und Organisationen.
Es findet über den Verband die Qualitätssicherung der Weiterbildungen und Zertifizierungen statt. Es werden Fachtagungen initiiert, Kooperationen, wissenschaftlicher Austausch und Öffentlichkeitsarbeit angestoßen und intensiviert.
In Amerika wird der Therapieansatz von der Solution- Focused Brief Therapy Association vertreten.