Ende des 20. Jahrhunderts etablierte der Psychologe Martin Seligman in seiner Amtszeit als Präsident der American Psychological Association offiziell die positive Psychologie in den Wissenschaftskontext. Dieser also noch sehr junge Zweig der wissenschaftlichen psychologischen Forschung beschäftigt sich mit Emotionen, Charaktereigenschaften und Stärken, Beziehungen und institutionellen Strukturen die für das menschliche Wohlergehen förderlich sind. Ausgemachtes Ziel der positiven Psychologen ist herauszufinden, welche Faktoren dazu führen, dass der Mensch sich optimal entfaltet, „aufblüht“, und ein glückliches Leben führen kann. Aufblühen bezeichnet in der positiven Psychologie einen Zustand optimaler menschlicher Funktion. Obwohl die Ergebnisse der bisherigen Forschung zwar erkennen lassen, dass das Basis-Glücksniveau eines Menschen bis zu 80% von genetischen Faktoren abhängig ist, so lassen die verbliebenen 20% noch ausreichend Raum für signifikante Verbesserungen der eigenen Lebensqualität. Studien zu Folge weisen Menschen, die eine Verbesserung der Faktoren des von Seligman entwickelten PERMA-Schemas (s.u.) in ihrem Leben anstreben, ein höheres Niveau von emotionalem, psychologischem und sozialem Wohlbefinden auf.
Herausgestellt haben sich drei Arten und Weisen zu leben, die dem Glücksempfinden zuträglich sind und die Forschungsschwerpunkte der positiven Psychologie sind:
- Das Angenehme Leben – Positive Emotionen bezogen auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; Positive Gefühle, die infolge eines normalen, gesunden Lebensstils entstehen
- Das engagierte Leben – Das Empfinden von Flow in der Hauptaktivität (i.d.R. dem Beruf) eines Menschen; wenn Stärken optimal gefordert sind, weder über- noch unterfordert wird
- Das sinnerfüllte Leben – Teilnahme und Dienst an etwas größerem als einem selbst
Seligman entwickelte hieraus schließlich das sogenannte P.E.R.M.A.-Schema, das den Anspruch hegt, alle zum Glücksempfinden relevanten Themenbereiche bestmöglich abzudecken.
P steht hierbei für „positive emotions“ (Positive Gefühle)
E für „engagement“ (Flow)
R für „relationships“ (Beziehungen)
M für „meaning“ (Bedeutung)
A für „accomplishments“ (Erfolge)
Viele Befunde aus der Forschung der letzten Jahre unterstützen hierbei Seligman’s Theorie. Positive Emotionen haben einen starken Einfluss auf die positive Regulierung des Stresssystems des Körpers und können so u.a. Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen. Weitere Vorteile sind eine bessere Ansprechbarkeit, ein breiteres Verhaltensrepertoire, geschärfter Instinkt sowie eine bessere Wahrnehmung und Vorstellungskraft.
Flow bezeichnet einen Zustand der vollkommenen Konzentration und Selbstverlorenheit in einer Aufgabe. Flow wird erlebt, wenn eine Aufgabe oder Herausforderung genau den eigenen Fähig- und Fertigkeiten entspricht, weder unter- noch überfordert. Das Ich-Bewusstsein löst sich vollkommen auf und äußere Reize werden nicht mehr wahrgenommen. Flow kann von jedem und bei jeder beliebigen Aktivität erfahren werden.
Glück in Beziehungen breitet sich virusartig aus, somit sind Beziehungen zu anderen Menschen ein großer Verstärker für das eigene Glücksempfinden. In Gegenwart von sehr guten Freunden, sinkt das Stressempfinden und steigt das Selbstwertgefühl. Zudem ist der zuverlässigste Prädiktor für Glück die Partnerschaft. Singles sind Studien zu Folge unglücklicher als Paare/Verheiratete.
Eine zentrale Erkenntnis der positiven psychologischen Forschung ist auch, dass das Basis-Glücksempfinden sich auf Dauer an die äußeren Umstände anpasst.
Reichtum im Speziellen hängt nur bedingt mit einem Glücksempfinden zusammen. Studien zeigen, dass finanziell wohlhabendere Menschen tendenziell unfähiger sind positive Gefühle zu genießen. Generell ist es für das Glück irrelevant wieviel Geld und Reichtum angehäuft wird, solange die Grundbedürfnisse gestillt sind. Geld sollte zudem weniger für Konsum, sondern mehr für Erlebnisse investiert werden um langfristig das Glücksempfinden zu maximieren.
Eine positive Maßnahme, die in der Glücksforschung inzwischen breiter Anerkennung zu Teil kommt, ist Meditation und das Üben von Achtsamkeit bezüglich der eigenen Emotionen, Absichten und Gedanken. Auch Optimismus ist ein wesentlicher Stützpfeiler einer gesunden psychischen Verfassung und kann mit Hilfe von bestimmten kognitiven Programmen erlernt werden. Wichtig für das individuelle Glück ist auch die Akzeptanz, dass Leid zum Leben dazu gehört und sinnvolle Coping-Strategien entworfen werden um damit umzugehen.
Anwendungsbereiche der positiven Psychologie sind neben der klinischen Psychologie Schulen, Forensik, Erziehungsanstalten, der Arbeitsplatz im Allgemeinen und der konstruktive Journalismus im Speziellen. Letzterer soll entsprechend des Menschenbilds der positiven Psychologie Journalisten dazu motivieren, zu inspirieren und Engagement des Lesers zu fördern.
Informationen zur Begründerin/zum Begründer:
Martin Seligman (*12. August 1942) ist ein US-Amerikanischer Psychologe, Pädagoge und Autor zahlreicher Bücher. Neben seinen Errungenschaften als Wegbereiter für die positive Psychologie in der Wissenschaftsgemeinde, genießt seine Theorie der erlernten Hilflosigkeit breite Anerkennung unter klinischen und wissenschaftlichen Psychologen. Im „Review of General Psychology“ wurde ihm Rang 31 der am meisten zitierten Psychologen des 20. Jahrhunderts zuerkannt. Er ist Direktor des Positive Psychology Centers und Zellerbach Family Professor in Psychologie der Universität von Pennsylvania. 1998 war er Präsident der American Psychological Association (APA), der größten wissenschaftlichen Organisation von Psychologen der Welt. Zudem ist er Chefredakteur des elektronischen APA Journals „Prevention and Treatment Magazine“ und im Beirat des „Parents“-Magazins.
Ablauf einer Sitzung
Die Anwendungsfelder der positiven Psychologie umfassen neben der klinischen Psychologie unter anderem Schulen, Forensik, Erziehungsanstalten, den Arbeitsplatz im Allgemeinen und den Journalismus. Es ist deshalb nicht möglich ein repräsentatives Anwendungsbeispiel zu nennen. Einflüsse und Anwendung der positiven Psychologie im Bereich des Coachings und der Therapie hängen sehr von dem jeweiligen Therapeuten/Coach ab.
Kosten einer Sitzung
Die Positive Psychologie ist eine grundlegende psychologische Strömung. Therapeuten/Coaches die Einflüsse dieser in ihre Arbeit einfließen lassen, haben individuell stark unterschiedliche Stundensätze.
Verbreitung der Methode
Konkrete Informationen zu der Anzahl ausgebildeter Coaches und Therapeuten existieren nicht. Google Scholar gibt beim Stichwort „Positive Psychology“ über 68.000 wissenschaftliche Artikel aus. Martin Seligman’s TED-Talk wurde inzwischen über 3,5 Millionen Mal aufgerufen.
Ausbildungsweg für Coaches / Therapeuten
Es gibt einige Ausbildungsinstitute der Positiven Psychologie, jedoch sind nur drei Institute durch den deutschen Dachverband akkreditiert. Zudem kann man seit 2015 erstmalig im deutschsprachigen Raum an der Universität Zürich den zwei Semester langen Studiengang „CAS Positive Psychologie“ bestreiten.
Die Ausbildung gliedert sich in vier Stufen, den Anwender/Professional, Berater/Consultant, Trainer und Lehrtrainer.
Die Ausbildungsstufe zum Anwender besitzt eine Dauer von mindestens 120 Stunden/15 Tagen und beschäftigt sich mit den zentralen Konzepten der positiven Psychologie und des Wohlbefindens sowie Interventionsmöglichkeiten. Die Kosten belaufen sich auf 2400 Euro.
Die Ausbildung zum Berater/Level 2 geht über mindestens 8 Tage/60 Stunden und vertieft in den drei Modulen Positive Coaching, Positive Education oder Positive Business die Anwendungsmöglichkeiten der erlangten Kenntnisse und Konzepte. Es kommen Kosten in Höhe von 700 Euro pro gewähltem Modul auf einen zu.
Die Ausbildung zum Trainer/Level 3 geht über eine Dauer von 10 Tagen/75 Stunden. Voraussetzung ist umfassende Erfahrung in der Lehre und mit Coaching, Supervision, Psychotherapie oder Beratung. Inhaltlich geht es u.a. um Selbstmanagement, Didaktik und Positive Beziehungsgestaltung im Training. Die Kosten belaufen sich auf 700 Euro.
Die höchste Ausbildung in der Positiven Psychologie zum Lehrtrainer berechtigt zum Anbieten der Kurse/Level 1,2 und 3 und ist Angehörigen psychosozialer Berufe vorbehalten.
(Berufs-)Verband, Verein
Der DACH-PP ist der deutschsprachige Dachverband der positiven Psychologie. Ziel ist, die positive Psychologie und deren Methoden, Theorien und Interventionsmöglichkeiten einem breiten Publikum sichtbar zu machen. Auf der Website des Verbandes findet man neben Werbematerialien und Informationen zur Ausbildung, Terminen und dem Verein generell auch Übungen mit denen man die Erkenntnisse der positiven Psychologie in den Alltag integrieren kann.