Die Provokative Therapie ist eine psychotherapeutische, lösungsorientierte Kurzzeittherapie, bei der der Therapeut über den Einsatz von sehr direkten und ehrlichen Reaktionen auf die Aussagen des Klienten eingeht. Die Reaktionen des Therapeuten können sowohl nonverbal über die Mimik und Gestik z.B. Augenrollen, Abwenden vom Klienten, Gähnen, etc., als auch verbal über schroffe Aussagen, spontane Einwürfe oder Provokationen vermittelt werden.
Sinn der Provokation ist es, den Klienten herauszulocken, seinen Widerstand zu wecken und ihn mit seinen eigenen Schwächen und Ängsten zu konfrontieren, um zur Auseinandersetzung damit anzuregen. Der Widerstand ist dabei das Mittel zum Zweck – durch ihn wird der Klient mit seiner eigenen Abwehr konfrontiert und bekommt die Chance sich diese Abwehr genauer anzuschauen und den Ursprung dessen verstehen zu lernen.
Ausschlaggebend für die Therapiesitzung ist es, das der Therapeut grundsätzlich und von Beginn an ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis zum Klienten aufbaut. Die provokanten Thesen sollten immer in einer liebevollen und wohlvollenden Art geäußert werden. Als Grundsatz gilt – der Therapeut tritt dem Klient mit einem positiven Menschenbild und wertschätzend gegenüber. Er nimmt den Menschen als grundsätzlich gesund wahr und sieht ihn als Experte seiner selbst („er ist in der Lage seine Probleme selbst zu lösen“). Mit dieser Basis ist es möglich, die provokativen Thesen einzustreuen, ohne den Klienten dabei von vorn herein zu verschrecken. Mit diesem Vertrauensverhältnis ist es auch möglich, das therapeutische Setting als einen humorvollen Ort zu gestalten, in dem der Klient über seine eigenen Schwächen, Fehler und Probleme lachen (lernen) kann.
Frank Farrelly, ein amerikanischer Therapeut entwickelte diese Therapieform in den sechziger Jahren, wobei er zu Beginn die provokative Gesprächsführung in der Arbeit mit schizophrenen, depressiven, drogenabhängigen und kriminellen Klienten, die als schwere und hartnäckige Fälle galten, nutzte. Er erzielte in dem Bereich mit dieser Methodik sehr gute Erfolge.
Der Provokative Ansatz ist nicht nur als therapeutisches Verfahren nutzbar, es existieren mittlerweile auch Ausbildungen im Bereich des Provokativen Coaching (ProCo)®, der Provokativen SystemArbeit (ProSA)® oder allgemein im Provokativen Stil (ProSt)®. Die provokative Gesprächsführung lässt sich demnach auch in den verschiedensten Beratungsformen, wie z.B. dem Coaching oder der Mediation gewinnbringend einsetzen. Diese Ausbildungen wurden von Dr. E. Noni Höfner konzeptualisiert und werden deutschlandweit von ihr und ihrer Tochter Dr. Charlotte Höfner durchgeführt.
Die Provokative Therapie bietet die Möglichkeit, sich auf humorvollem Wege mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Die Methode ist gut anwendbar, um die Selbstverantwortung, Eigenständigkeit und den Widerspruchsgeist des Klienten zu wecken und diese Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Weiterhin ist es möglich, dass der Klient durch die provokative und sehr ehrliche Art der Gesprächsführung sich in der Tiefe seines Wesens verstanden fühlt – der Therapeut wagt und traut sich, dass auszusprechen, was er sich bisher nicht erlaubt oder getraut hat auszusprechen. Dieser Vorgang kann von dem Klienten als befreiend und aktivierend empfunden werden. Er erlebt dadurch ebenfalls eine Umdeutung oder Neubewertung, oder eine Entdramatisierung seines Problemzustandes.
Informationen zur Begründerin/zum Begründer:
Frank Farrelly, geboren 1931, war das neunte von zwölf Kindern und verbrachte seine Kindheit auf einer Farm in Missouri.
Später ging er als Novize in ein katholisches Kloster, entschied sich jedoch dann zu einem Studium der Klinischen Sozialarbeit an der Catholic University in Washington, DC.
Während des Studiums lernte er seine Frau June kennen. Sie hatten gemeinsam vier Kinder.
Später entschied er sich zu einer Ausbildung in Gesprächsorientierter Psychotherapie bei Carl Rogers. Währenddessen unterstützte er ein Forschungsprojekt mit schizophrenen Klienten. Hier integrierte er nach und nach seinen eigenen Stil und begann Patienten während der Sitzungen humorvoll herauszufordern. Er integrierte jedoch immer die Therapeutenvariablen der Empathie und Kongruenz als festen Grundssatz in seiner Gesprächsführung. Sein klares Ziel war es damals, auch die als hoffnungslos geltenden Fälle zu rehabilitieren. Er arbeitete in dieser Zeit insbesondere mit schizophrenen, depressiven, drogenabhängigen und kriminellen Klienten und erzielte hier gute Erfolge.
Später erhielt er eine Professur für Soziale Arbeit und Psychiatrie und führte von 1960 – 1993 seine eigene private Praxis.
Von 1982- 2011 reiste Farrelly oft nach Europa, insbesondere Deutschland oder Österreich um Wochenend-Seminare für Psychotherapeuten, Psychologen oder Interessierte zu geben.
Farrelly starb 2013 in Madison, Wisconsin.
Ablauf einer Sitzung
Zu Beginn verschafft sich der Therapeut einen Überblick über das Problem des Klienten. In den ersten Stunden ist es notwendig, dass der Therapeut einen sehr wertschätzenden, vertrauensvollen und liebevollen Umgang mit dem Klienten findet, um dann nach und nach die provokativen Thesen und Kommunikationsformen einzustreuen.
Dies kann sich gestalten, indem der Therapeut unerwartet viel spricht, schroff und deutlich die „Wahrheit“ benennt und klare direkte Aussagen über bestimmte Zustände des Klienten trifft, oder Hypothesen über sein Verhalten bildet. Möglich ist es auch, dass er z.B. auf drastische Weise Zukunftsszenarien beschreibt. Er stellt auch die langfristigen Folgen des problematischen Zustands dar und spielt mit diesen Szenarien, oft auch mit ironisch – sarkastischer Mundart, seiner Mimik und Gestik.
Mit diesen Mitteln kann der Therapeut die Emotionen des Klienten hervorlocken. Mit diesen Emotionen können dann wiederum Zustände verändert werden und positive Veränderungen im Problemkontext entstehen.
Kosten einer Sitzung
Die Kosten einer Sitzung betragen je nach Therapeut im Durchschnitt ca. 60 – 120 Euro á 60 Minuten.
Wenn der Therapeut eine psychotherapeutische Grundausbildung besitzt, kann die Therapie von der Krankenkasse übernommen werden.
Verbreitung der Methode
Auf YouTube haben die Videos zur Provokativen Therapie oder dem Provokativen Coaching bis zu 10.000 Aufrufe.
Europaweit, vorrangig jedoch Deutschlandweit, gibt es über 70 provokative Therapeuten/ Berater, die über das Deutsche Institut für Provokative Therapie zertifiziert und gelistet sind.
Ausbildungsweg für Coaches / Therapeuten
Die Ausbildung zum Provokativen Therapeuten kann man z.B. über das Deutsche Institut für Provokative Therapie belegen.
Die Ausbildung kostet an diesem Institut ca. 4000 Euro und beinhaltet 140 Fortbildungsstunden und 40 Supervisionsstunden.
Die dazu nötigen Seminare können in unterschiedlicher Reihenfolge belegt werden und sind auch für Interessierte zugänglich, die keine umfassende Ausbildung machen wollen. Die einzelnen Seminare kosten ca. 400 Euro.
Empfohlen wird eine psychologische, psychotherapeutische, ärztliche, beraterische Grundbildung.
Dr. E. Noni Höfner hat auch Ausbildungen im Bereich des Provokativen Coachings (ProCo)®, der provokativen SystemArbeit (ProSA)® und des Provokativen Stils (ProST)® entworfen und leitet diese in verschiedenen deutschen Instituten.
Die Seminare kosten ca. 400 Euro und finden in der Regel an zwei Tagen statt.
(Berufs-)Verband, Verein
In Deutschland gibt es das Deutsche Institut für Provokative Therapie (D.I.P.) . Das Institut steht dafür eine breitere Basis für die Aus- und Fortbildung der Provokativen Therapie zu schaffen. Es wird von Dr. E. Noni Höfner und ihrer Tochter Dr. Charlotte Höfner geleitet. Dr. Noni Höfner ist die bekannteste Vertreterin der Provokativen Therapie im deutschsprachigen Raum.
Weiterhin gibt es die „Association for Provocative Therapy“ (AFPT). Diese Seite wurde von Frank Farrelly erstellt und bis zu seinem Tod von ihm geleitet.
Mir hat Provokatives Coaching sehr viel Spaß gemacht. Ich habe es im Rahmen einer Weiterbildung bei Noni Höfner erlebt, sowohl als freiwillige Probandin im Coaching mit ihr, als auch in der Anwendung als Coach mit Klienten. Zugegeben, diese Art des Coachings ist unkonventionell aber genau das ist gerade so erfrischend. Man wird nicht mit Samthandschuhen behandelt sondern kriegt ordentlich Pfeilspitzen um die Ohren geschossen. Und manche davon treffen direkt ins Schwarze. So ein Coaching ist keine ernste Angelegenheit, durch die teilweise maßlosen Übertreibungen kann es auch mal zu einem Lachanfall kommen. Mir hat es sehr gefallen, mit welch scharfen Verstand und gleichzeitiger Wertschätzung Noni mir „eingeheizt“ hat. Ich habe mich wie einmal durchgerüttelt gefühlt, danach steht erstmal kein Stein mehr auf dem anderen im gewohnten Gedankengebäude.
Auch bei meinen Klienten nutze ich diese Art des Coachings immer wieder gerne und merke, dass das wachrüttelt und etwas bewirkt. Von außen betrachtet wirkt so ein Coaching manchmal vielleicht ruppig oder respektlos, nach dem Motto "So was kann man doch als Coach nicht sagen". Wenn man aber als Klient mitten drin steckt, fühlt sich das jedoch ganz anders an, eher wie "Na endlich traut sich mal jemand das auszusprechen".