Das Psychodrama ist eine handlungsorientierte Methode, in der durch ein szenisches Spiel sowohl sachliche Informationen als auch Problemlösungen für soziale und emotionale Konflikte dargestellt und bearbeitet werden können. Den Spielenden sollen dabei neue Einsichten und die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten ermöglicht werden, um eigene Ressourcen zu erkennen und Lösungen zu finden. Das Psychodrama soll Raum zum Erforschen eigener und anderer Wirklichkeiten bieten. Es ist eine Methode die gleichermaßen auf die Ursache und Wirkung, sowie symptomgerichtet vorgeht, die emotionale und rationale Einsicht vermittelt und zwar durch ein persönliches Erleben und direkten Anschaulichkeit. Sie schafft intellektuellen Menschen rasch einen Zugang zu ihrer Gefühlsebene, vermittelt aber auch Menschen mit geringerem Reflexionsvermögen eine höhere Einsicht. Psychodrama hat aufgrund seiner Vielseitigkeit weltweit Eingang in unterschiedlichste Bereiche gefunden.
Besondere Bedeutung hat es in der klinischen Arbeit mit psychiatrischen Patienten, in der psychotherapeutischen Privatpraxis, in der Kinder- und Jugendlichentherapie, in der Therapie mit behinderten Menschen, aber auch in Sozialarbeit, Pädagogik und Erziehungsberatung. Im Psychodrama ist der Rahmen festgelegt, die Gestaltung des Spiels ist allerdings offen, so dass die Spielenden das Thema auch nach eigenen Vorstellungen und nach ihren kreativen und spontanen Möglichkeiten umsetzen können. Da es sich nicht um ein einfaches Rollenspiel handelt, ist eine sorgfältige Vorbereitung nötig. Der Fokus liegt beim Psychodrama ähnlich wie im realen Leben, auf zwischenmenschliche Interaktionen. Diese werden in einer Gruppe durchgeführt. Hierbei wird nach einem festen Ablauf gehandelt und jeder Teilnehmer ist dabei integriert. In dieser Aktionsmethode, welche das Psychodrama darstellt, werden die Teilnehmer zur strengen Vertraulichkeit angehalten.
Ein Teil der Psychodramagruppe ist der Leiter. Dieser agiert während des gesamten Prozesses richtungsweisend. Der Protagonist steht im Mittelpunkt und darf sich eine vergangene, gegenwärtige, zukünftige oder fiktive Situation aus seinem Leben überlegen, welche er nachspielen möchte. Dabei hat er sowohl über die Szene an sich freie Verfügbarkeit, als auch über die Rollenzuteilung der anderen Mitglieder. Der Protagonist soll bevorzugt Personen für die Rolle auswählen, welche der realen Person in bestimmten Attributen ähneln. Diese Rollen werden in den Begriffen des Psychodramas Hilfs-Ich genannt. Für sich selbst sucht er ein Alter-Ego aus, um bei Bedarf aus der Situation gehen zu können und aus der Vogelperspektive auf die Szene schauen zu können. Der Leiter dirigiert den Verlauf und beendet selbstständig die einzelnen Szenen. Das Psychodrama dient nicht der Nachkonstruktion von Szenen. Durch einen Tausch der einzelnen Rollen kann vielmehr ein Perspektivwechsel erzeugt werden In der Rolle des Alter-Egos kann der Protagonist in einer sicheren Distanz Verhaltensweisen zeigen, die er sonst nicht verwenden würde. Nach dem Spielen von mehreren Szenen geht der Protagonist wieder in die Gruppensituation zurück. Beim sogenannten Sharing teilen sich die Teilnehmer über das Erlebte und die wahrgenommenen Gefühle aus.
Mit einem Feedback der Rolleninhaber, dem sog. "Rollenfeedback" erfährt der Protagonist, was die Darsteller in den Szenen erlebt haben. Auch hier ergeben sich für ihn spannende Momente, da er ja sehr genau die Sicht des "anderen" auf sein Verhalten erfährt. Ein weiterer Nutzen für den Protagonisten ist es, sich durch die psychodramatischen Methoden besser zu verstehen und sein eigenes Handeln nachvollziehbar zu gestalten. Des Weiteren wird durch den Rollenwechsel die Situation der "Anderen" nachvollziehbar. Somit erlernt der Protagonist neue Möglichkeiten für adäquate Verhaltensweisen.
Informationen zur Begründerin/zum Begründer:
Jakob Moreno Levi (18. Mai 1889 - 14.Mai 1974) wurde in Bukarest geboren und siedelte im Alter von 10 Jahren mit seiner Familie nach Wien, absolvierte hier seinen schulischen Abschluss und studierte Medizin. Hierbei hegte er als Student bereits großes Interesse für psychiatrische Vorlesungen. Seine ersten Erfahrungen in Rollenspielen machte er in dieser Zeit als Student, wobei er die anderen Teilnehmer ermutigte, häufig ihre Rollen zu wechseln. Während seiner Zeit als Lagerarzt (1916-1918) in einem Flüchtlingslager interessierte er sich neben seiner medizinischen Tätigkeit, zunehmend für Gruppenprozesse und die Psyche des Menschen. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte Moreno später die Methode der Soziometrie. Seine therapeutische Philosophie enthielt ein “Wirken durch Handeln und nicht durch Reden“, welche sich in der Praxis des Psychodramas wiederspiegelt. Nachdem Moreno 1925 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte, um dort als Therapeut zu arbeiten, publizierte er 1934 sein Grundlagenwerk „Who shall survive“. 1936 eröffnete er ein Sanatorium in Beacon bei New York, es wurde mit dem Psychodrama Institute und dem Sociometrie Institute (1942) ein Zentrum, von dem seine Ideen in die ganze Welt gingen. Moreno wurde schließlich ein Mitbegründer der Gruppentherapie in Amerika. In den USA entwickelte er den Gedanken einer soziometrisch geordneten Gesellschaft weiter, womit er Eingang in die psychologische Arbeit von Institutionen wie Gefängnissen, Heimen, Schulen, Militär etc. fand. Morenos Ideen veränderten die Techniken der Psychotherapie und setzten sich weltweit durch.
Ablauf einer Sitzung
Die Teilnehmer sollten für die Sitzung ein Mindestmaß an Vorstellungsvermögen, Ausdrucksfähigkeit und Einfühlungsvermögen mitbringen. Schauspielerische Vorerfahrung sind nicht notwendig, eine Gruppen- und Beziehungsfähigkeit ist jedoch von Vorteil. Eine Psychodrama-Sitzung besteht aus drei Phasen: der Erwärmungs-, Spiel- und Abschlussphase. Im Groben erklären sich diese bereits durch ihre Bezeichnungen: In der Erwärmungsphase „erwärmen“ sich die Gruppenmitglieder füreinander. In der Spielphase „spielen“ sie ihr Psychodrama. In der Abschlussphase schließen sie ihr Thema „ab“, indem sie es ausführlich reflektieren.
Die Erwärmungsphase
Jede Sitzung beginnt mit einer Erwärmungsphase. Diese dient dazu, eine eventuelle anfängliche Passivität der Teilnehmer zu reduzieren. Hierbei werden in der Gruppe kleine Aktionsspiele angeleitet. Am Ende der Erwärmungsphase soll die Entscheidung zum Spiel stehen. Das bedeutet, dass, sofern der Gruppenprozess offen gestaltet wird, zu diesem Zeitpunkt weder von der Spielleitung noch von der Gruppe aus festgelegt ist, ob es zu einem ? kommen wird oder nicht. Es gibt aber auch Erwärmungsübungen, die auf ein Psychodrama hinzielen. Bei unerfahrenen Gruppen ist es in dieser Phase besonders hilfreich, Übungen anzubringen, über die die Teilnehmer ins spontane Rollenspiel finden können. Zum Hemmungsabbau dienen zum Beispiel kurze Improvisationen, einfache Rollenvorgaben und kleine szenische Einwürfe, sowie wechselnde Partnerkonstellationen. In der Erwärmungsphase legt auch der Spielleiter oder die erfahrene Gruppe die Spiel-Variante fest. Durch Gespräche oder bestimmte Übungen kristallisieren sich der Protagonist und sein Thema heraus. Dieser sucht sich seine Hilfs-Ichs aus und die Lage und der Umfang der Bühne wird festgelegt.
Techniken für die Erwärmungsphase
Das Interview
Die Spielleitung bittet den Protagonisten auf die Bühne und interviewt ihn. So bekommt die Gruppe wichtige Grundinformationen über ihn, seine Rolle und die Rollen der Antagonisten. Der Gedankenfluss kann durch langsames Auf- und Abschreiten auf der Bühne (Spaziergang) verstärkt werden. Das Interview ist hier der Erwärmungsphase zugeteilt, da es oft zu Beginn des Psychodramas durchgeführt wird. Es kann aber in allen Phasen des Psychodramas zur Anwendung kommen.
Der leere Stuhl
Die Spielleitung stellt einen leeren Stuhl vor die Gruppe und fordert die einzelnen Teilnehmer auf, sich eine Person auf diesem Stuhl vorzustellen, mit der sie im Folgenden in Kommunikation treten. Nach einigen Minuten fragt der Spielleiter die Gruppenmitglieder, wen sie sich vorgestellt und was sie empfunden haben. Dieses verschafft den Teilnehmern sowie der Spielleitung einen Einblick in die Thematiken und Probleme der einzelnen Gruppenmitglieder.
Der Zauberladen
Im Zauberladen kann der Teilnehmer eigene, von ihm positiv bewertete Eigenschaften und Kompetenzen seiner Persönlichkeit anbieten. Im Gegenzug erhält er neue, von ihm gewünschte Eigenschaften hinzu. Darüber hinaus kann der Teilnehmer Dinge abladen, die ihn an sich stören. Bei der Wahl dieser „Waren“ werden die Wünsche und Schwierigkeiten der Teilnehmer sichtbar.
Die Spielphase
In der Spielphase wird eine gemeinsame Anfangsszene gesucht, mit der begonnen werden kann, die Thematik des Protagonisten im Spiel umzusetzen. Oft bekommen die Gruppenmitglieder die Gelegenheit, sich entsprechend ihrer Rollen Requisiten zu suchen. Die Spielleitung bestimmt den Start des Psychodramas und zieht sich dann auf einen Platz außerhalb der Bühne zurück, von dem er alles gut beobachten kann. Hierbei werden die unten aufgeführten Techniken verwendet. Die Teilnehmenden erleben das Geschehen realitätsnah, denn Vergangenes wird nun gegenwärtig und Zukünftiges ins Hier und Jetzt geholt. Der Spielleiter bestimmt auch das Spielende. Dies ist an der Zeit, wenn es einen inhaltlichen Abschluss gibt, die Teilnehmer aus den Rollen aussteigen, der zeitliche Rahmen es erfordert oder aus Interventionsgründe abgebrochen wird. Das Beenden der Spielphase muss für alle deutlich sein. Das Abgeben der Requisiten als Sinnbild für die Rolle oder das Wegräumen der Bühne kann dabei helfen. Zum Abschluss der Spielphase kann die Spielleitung Methoden einsetzen, die dazu dienen sollen, die Wahrnehmung des Einzelnen zum Psychodrama und auf die momentane emotionale Lage zu fokussieren.
Techniken für die Spielphase
Das Doppeln
Ein Antagonist steht seitlich hinter dem Protagonisten und „doppelt“ seine Körper-haltung, Mimik, Gestik, Atemrhythmus usw. und versetzt sich so in ihn hinein. Anschließend verbalisiert der Antagonist in der Ich-Form Gefühle und Gedanken aus, die dem Protagonisten nicht bewusst sind oder die er nicht auszusprechen kann. Der Protagonist ist nunmehr nicht alleine und wird zu weiterem eigenen Ausdruck angeregt.
Der Rollentausch
Der Protagonist und ein Antagonist wechseln ihre Rollen, indem sie die typischen Verhaltensweisen des jeweils Anderen übernehmen und so ihre Wahrnehmung des Anderen verdeutlichen. Der Rollentausch soll dem Protagonisten ein besseres Verständnis für die Schwierigkeiten und Probleme des Antagonisten ermöglichen. Die Übung dient der Überprüfung der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das eigene Verhalten kann aus der Distanz der neuen Rolle reflektiert und verdrängte Persön-lichkeitsanteile können angenommen und integriert werden.
Das Spiegeln
Der Protagonist geht für einige Zeit aus seiner Rolle. An seiner Stelle übernimmt ein Antagonist seine Rolle und imitiert seine Eigenheiten, Handlungsweisen und Äußerungen verbal und nonverbal. Der Protagonist kann sich so sozusagen aus der Distanz des Zuschauers von außen selbst betrachten. Das Publikum reagiert auf den Antagonisten wie sonst auf den Protagonisten. Dieser erfährt so, wie er von den anderen Gruppenmitgliedern wahrgenommen wird und wie sein Verhalten auf andere wirkt. Die Erfahrung der Fremdwahrnehmung soll ihn zur Reflexion seines Verhaltens veranlassen und die Möglichkeit bieten, Handlungsalternativen zu entwickeln. Hierbei müssen der Spielleiter und gegebenenfalls auch die anderen Teilnehmer ihm helfend und stützend zur Seite stehen.
Die Abschlussphase
Die Abschlussphase beinhaltet eine Nachbesprechung des im Psychodrama erlebten. Die Spielphase wird von jedem Teilnehmer reflektiert, gedanklich nachvollzogen und emotional nachgespürt. Jedes Gruppenmitglied äußert sich zum Spielverlauf und zu der eigenen Rollenerfahrung. Die Spielleitung beginnt die Auswertung mit einer Einstiegsfrage und achtet darauf, dass im Bezug auf einzelne Gruppenmitglieder Deutungen und Ratschläge unterlassen werden. Er selbst hält sich mit Rückmeldungen aus seiner Beobachterrolle zurück. Beim so genannten „sharing“ berichten zuerst die Mitspieler und dann die Zuschauer, was sie während des Psychodramas erlebt haben. Beim sogenannten „Feedback“ geben die Mitspieler und die Zuschauer direkte Rückmeldungen an den Protagonisten. Die personenbezogene Aufarbeitung bezieht sich auf jeden einzelnen Teilnehmer. Er gibt seine Erfahrungen während des Psychodramas wieder und kann ein Feedback aus der Gruppe und/ oder von der Spielleitung bekommen. Hier ist auch Platz herauszuarbeiten, welches persönliche Thema durch das Gruppenspiel gegebenenfalls angesprochen wurde. Bei der Aufarbeitung wird gemeinsam versucht, die Handlungsverläufe im Spielprozess nachzuvollziehen.
Kosten einer Sitzung
Die Kosten einer Psychodrama Sitzung variieren sehr kontextabhänig.
Verbreitung der Methode
Ausbildungsweg für Coaches / Therapeuten
Die Weiterbildung gliedert sich in drei Phasen, mit denen die folgenden Abschlüsse erreicht werden können:
1. Vor Beginn der Weiterbildung: Einführungs-/Zulassungsseminar und ein Aufnahme-/Zulassungsinterview mit einem Lehr-/Weiterbildungsbeauftragten
2. Ca. 2 jährige Grundstufe - Abschluss: Psychodrama-Praktiker/-in
3. Ca. 2 jährige Oberstufe - Abschluss: Psychodramatherapeut/-in (MedizinerInnen/PsychologInnen) oder Psychodramaleiter/-in (pädagogischer oder sozialwissenschaftlicher Hochschulabschluss)
Ein Mindestalter von 22 Jahren wird bei Beginn der Weiterbildung vorausgesetzt. Das Kolloquium am Ende der Oberstufe bildet den Abschluss der Ausbildung. Es handelt sich hierbei um eine Präsentation mit Fachgespräch und Feedback zur Abschlussarbeit, deren Erstellung Voraussetzung an der Kollquiumsteilnahme ist und die von einer Kommission bewertet wird. Die Kosten für das Kolloquium betragen pro Teilnehmer/-in € 390,00.
(Berufs-)Verband, Verein
Für die Förderung und Weiterentwicklung des Psychodramas setzt sich der 1994 gegründete Deutsche Fachverband für Psychodrama ein. Sein Schwerpunkt liegt in der Interessensvertretung von Psychodramatikerinnen und Psychodramatikern. Die diversen Anwendungsbereiche des Psychodramas werden in der Mitgliederstruktur des DFP wieder gespiegelt. Er stellt bei Veranstaltungen, Tagungen, Kommissionen und Arbeitsgruppen Informationen zum Stand des Psychodramas bereit. Hierbei bietet er Raum für kollegiale Begegnungen. Die Mitarbeit in verschiedenen berufspolitischen Gremien, sowie wie die enge Kooperation mit den vom DFP anerkannten Weiterbildungsinstituten und maßgeblichen Fachverbänden gehören zu seinen Aufgabenbereichen. Der DFP versteht sich als ein wichtiges Bindeglied im europäischen und internationalen psychodramatischen Netzwerk.
Psychodrama habe ich als Diplomarbeitsthema gehabt. "Psychodrama mit heranwachsenden in Untersuchungshaft". Es gab nicht viel Literatur dazu, sodass ich die Methode empirisch angewandt habe. Es war schon unglaublich, welche Wirkung es auf die Jugendlichen hatte. Sie konnten sich wunderbar in die verschiedenen Rollen einfinden und fanden es erhellend in andere "Menschen" zu schlüpfen. Ich arbeite sehr gerne mit dieser Methode.