Die Verhaltenstherapie hat ihre Wurzeln im Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Behaviorismus. Dabei wurde der menschliche Organismus als „Black Box“ (schwarzer Kasten) betrachtet. Man könne erkennen, welche Reize auf den Organismus einwirken und welches Verhalten herauskommt, was im Inneren passiert wie Denken, Erinnern oder Kreativität bleibt im Dunkeln und ist einer wissenschaftlichen Erforschung nicht zugänglich.
Die behavioristischen Lerntheorien gehen davon aus, dass das Verhalten ein Ergebnis aus Variablen der Umgebung, bzw. des Umfeldes eines Menschen ist. Geistige Vorgänge sind dabei nicht wichtig und werden nicht weiter beachtet. So auch beim Modelllernen nach Albert Bandura. Dementsprechend erlernt ein Kind beispielsweise Verhalten, das es bei anderen Kindern oder seinen Eltern beobachtet.
Mit der kognitiven Wende, in den 1970er Jahren, veränderten sich diese Einstellungen und es wurden auch innere Aspekte, wie Gedanken und Gefühle, mit in Betracht gezogen. Die Verhaltenstherapie unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung und umfasst mittlerweile ein großes Repertoire an Vorgehensweisen.
Einige der bekanntesten Methoden sind:
Konfrontation
Dabei wird man mit seinen Ängsten oder Zwängen konfrontiert. Das passiert entweder real oder in Gedanken und kann graduiert und langsam erfolgen oder unmittelbar mit höchster Reizintensität. Durch das Konfrontieren und Gewöhnen an den angstauslösenden Reiz, in Begleitung des Therapeuten, soll die Angst verlernt werden. Dies kann bei typischen Angststörungen, z.B. Klaustrophobie oder Angst vor Spinnen eingesetzt werden. Bei Zwangsstörungen wird dagegen gezeigt, dass nichts passiert, wenn man das Zwanghafte Verhalten nicht ausführt, z.B. zwanghaftes Händewaschen. Bei dem Konfrontationsverfahren werden verschiedene Methoden zum Heranführen an die Ängste/ Zwänge benutzt und auch kombiniert.
Entspannungsverfahren
Es gibt verschiedene Entspannungsverfahren, die bei einem Therapiezielen hilfreich sein können. Die Progressive Muskelrelaxation kann bei Angst-, Schlafstörungen oder Depressionen eingesetzt werden. Atemtechniken können bei Angst- und Schlafstörungen beruhigend wirken. Imaginative Elemente, bei denen mit bildhaften Vorstellungen in der Fantasie gearbeitet wird können ebenso bei Angststörungen oder psychosomatischen Störungen genutzt werden.
Hierbei stehen die Einstellungen, Gedanken und Emotionen im Vordergrund. Es wird analysiert, welche Einstellungen sich negativ auf das Verhalten auswirken und daran gearbeitet diese Einstellungen zu ändern. Es kann z.B. ein Tagebuch geführt werden, um zu sehen, welche Gedanken immer wieder auftreten. Dieses Verfahren kann unter anderen bei Depressionen eingesetzt werden, um negative Gedanken durch rationale zu ersetzten. Bei Essstörungen kann geholfen werden die verzerrte Körperwahrnehmung zu ändern.
Verhaltensübungen/ Rollenspiele
Durch Rollenspiele, bei denen verschiedene Situationen durchgespielt werden, kann daran gearbeitet werden die Selbstsicherheit zu stärken, soziale Kompetenzen aufzubauen oder impulsives Verhalten zu kontrollieren.
Operante Verfahren
Das Verhalten soll durch Verstärkung oder Bestrafung verändert werden. Um ein gewünschtes Verhalten zu verstärken wird immer wenn das Verhalten gezeigt wird ein zusätzlicher positiver Reiz hinzugefügt oder ein unangenehmer Reiz weggenommen. Bei unerwünschtem Verhalten dagegen wird ein negativer Reiz hinzugefügt oder ein positiver Reiz weggenommen, wenn das Verhalten gezeigt wird.
Die Verhaltenstherapie setzt an den auslösenden, aufrechterhaltenden Problembedingungen an. Sie ist ziel- und handlungsorientiert und soll über das therapeutische Setting hinausgehen. Mit dem übergeordnetem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ soll gelernt werden im Alltag selbst seine Probleme zu bewältigen.
Informationen zur Begründerin/zum Begründer:
Es ist schwierig, einen spezifischen Gründer der Verhaltenstherapie festzumachen. Man kann aber sagen, dass John B. Watson als ein Pionier wichtige Erkenntnisse für die heutige Verhaltenstherapie erlangte.
John Broadus Watson wurde 1878 in South Carolina (USA) geboren und starb 1958 in New York City. Ab 1899 besuchte er mehrere Philosophiekurse und ging anschließend einer Promotion in experimenteller Psychologie nach. 1908 übernahm er die Leitung des psychophysiologischen Labors an der Johns Hopkins University in Baltimore. 1913 erschien sein Artikel „Psychology as the Behaviorist views it“, welcher die damaligen populären Methoden der Tiefenpsychologie kritisierte und einen naturwissenschaftlich orientierten Ansatz aufzeigte. Mit diesem Artikel gilt Watson als einer der ersten, die den Begriff „Behaviorismus“ benutzt haben. Er wurde zum Mitherausgeber der „Psychological Review“ und zum Gründungsherausgeber des „Psychological Bulletin“, zweier bedeutender psychologischer Fachzeitschriften. 1915 wurde er zum Präsident der „American Psychological Association“ (APA), dem heute weltweit größten Psychologenverband. Seine wissenschaftliche Karriere wurde 1919, aufgrund eines privaten Skandals abrupt beendet. Er veröffentliche danach weitere psychologische Bücher und wurde 1957 von der APA für seine Beiträge ehrenvoll erwähnt.
Neben Watson sind noch weitere Vertreter der behavioristischen Lerntheorie zu nennen, die Einfluss auf die heutige Verhaltenstherapie hatten:
Albert Bandura mit seinen Erkenntnissen zum Modelllernen/ Beobachtungslernen
Burrhus Frederic Skinner und Edward Lee Thorndike im Bereich der operanten Konditionierung
Iwan Petrowitsch Pawlows Experimente mit Hunden, bei denen durch klassische Konditionierung Reflexe hervorgerufen wurden
Ablauf einer Sitzung
Die Verhaltenstherapie erfolgt in einer Reihe von regelmäßigen Therapiesitzungen. In den ersten Sitzungen geht es um ein gegenseitiges Kennenlernen und eine Verhaltens- und Problemanalyse. Anschließend wird ein Therapieplan aufgestellt und aus einer Vielzahl an Methoden werden die passenden für die individuelle Therapie herausgesucht.
Psychotherapeut und Patient gehen in der VT ein Arbeitsbündnis ein, indem beide Beteiligte eine aktive Rolle einnehmen und gemeinsam an den Therapiezielen arbeiten. Anders als z.B. in der Psychoanalyse vermittelt der Therapeut auch Fakten über die Symptomatik und die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Erkrankung. In der Therapie können konkrete Verhaltensanweisungen vermittelt werden und in Rollenspielen neues Verhalten trainiert werden. Häufig gibt es Hausaufgaben für den Patienten wie z.B. das Führen eines Stimmungstagebuchs.
Eine Sitzung dauert im Normalfall 50 Minuten und findet einmal wöchentlich statt. Außer den klassischen Einzelsitzungen werden auch Paar-, Familien- oder Gruppensitzungen angeboten.
Kosten einer Sitzung
Die Krankenkasse zahlt die Behandlung bei anerkannten Psychotherapeuten, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde und bestimmte Kriterien erfüllt sind. Für Selbstzahler liegen die Kosten für eine Sitzung bei etwa 100,- Euro pro Stunde. Bei Gruppensitzungen reduziert sich der Preis. Die Kosten sind in der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GPO) geregelt.
Verbreitung der Methode
Die Verhaltenstherapie ist das am umfangreichsten wissenschaftlich untersuchte Therapieverfahren. Für fast alle psychischen Störungen liegen empirische Ergebnisse vor, die ihre Wirkung bestätigen. Durch stetige Forschung entwickelt sich die Verhaltenstherapie ständig weiter. Sie wird von vielen Psychotherapeuten bundesweit angeboten.
Ausbildungsweg für Coaches / Therapeuten
Die DGVT-Ausbildungsakademie bietet bundesweit in verschiedenen Instituten die Ausbildung in Verhaltenstherapie an. Die Ausbildungsdauer beträgt im Normalfall drei – fünf Jahre. Nach Abschluss der Ausbildung findet die staatliche Prüfung zur Erlangung der Approbation und der kassenpsychotherapeutischen Zulassung statt. Voraussetzungen für die Ausbildung sind ein abgeschlossenes Psychologiestudium (Diplom oder Master) und die Teilnahme am Auswahlverfahren. Die Ausbildung setzt sich zusammen aus einer theoretischen Ausbildung (600 Stunden), einer praktischen Ausbildung (600 Stunden), der therapeutische Selbsterfahrung (120 Stunden), der Supervision (150 Stunden) und der praktischen Tätigkeit (1800 Stunden). Einige Universitäten, darunter z.B. die Humboldt-Universität zu Berlin, bieten auch die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie an. Da die Zulassung und die Ausbildungsinhalte nach dem Psychotherapeutengesetz geregelt sind, ist sie mit der Ausbildung der DGVT vergleichbar.
(Berufs-)Verband, Verein
Der größte verhaltenstherapeutische Fachverband Deutschlands ist die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT). Die zentralen Ziele des Verbandes sind die Verbesserung der psychosozialen Versorgung und die Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie in Forschung, Lehre und Praxis. Die DGVT teilt sich auf in:
DGVT-BV e.V.– Berufsverband Psychosozialer Berufe
DGVT-Ausbildungsakademie GmbH – Träger von 16 Ausbildungszentren bundesweit
DGVT-Verlag – Fachzeitschriften „Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis“ und „Verhaltenstherapie mit Kindern & Jugendlichen“
Ein weiterer Verband ist der Deutsche Fachverband für Verhaltenstherapie e.V. (DVT). Er kümmert sich um die Sicherung von Qualitätsstandards in der Ausbildung und in der psychotherapeutischen Versorgung, informiert über die aktuelle Entwicklung und veranstaltet wissenschaftliche Jahrestagungen. Ausserdem steht der DVT als Mitglied der „European Association for Behavioural and Cognitive Therapies“ (EABCT) im internationalen Austausch.